zupf.helvetica in Winterthur – Aller guten Dinge sind 3!

Abendmusik zum Znüni und andere musikalische Delikatessen
 
Frei nach dem Motto „Abendmusik zum Znüni“ trifft sich das Orchester zupf.helvetica am Samstag 21. August um 9 Uhr einmal mehr im schönen Winterthur. Jedes Mal, wenn wir uns in Winterthur trafen, war das Wetter sommerlich, weshalb Debra uns mit den Worten begrüsst, dass wir uns öfters treffen sollten, so es auch öfters schön wäre. Welch treffende Aussage in diesem Regensommer. Die letzte Probe liegt bereits wieder einige Wochen zurück, mir ist aber noch gut der ziemlich dünne Orchesterklang mitunter aufgrund der damaligen Unterbesetzung im Ohr.
 
Nun sind wieder fast alle angereist, auch das Team-Soest ist physisch anwesend, und zudem haben sich erfreulicherweise einige fitte Neumitspielende eingefunden. So höre und staune: Wie kraftvoll erklingt der letzte Satz „Heimkehr“ von Anina Kellers „Helvetica“! Nach einer knappen halben Stunde Übezeit blickt Dirigent Christian auf die Uhr und nickt anerkennend: „Nach 34 Minuten“. Da man aber nicht Heimkehren kann, ohne vorher auf eine Reise gegangen zu sein, stünde der erwähnte Satz ziemlich alleine da. Deshalb erklingt auch die „Sehnsucht“, in der Hoffnung, am nächsten Konzert im Oktober in Lugano mitgespielt zu werden.
 
Anschliessend wird lange, ausgiebig, konzentriert und detailliert an verschiedenen Sätzen von Kurt Schwaens „Abendmusik“ und Wolfgang Amadeus Mozarts „Sonate in D“ gefeilt. Christians spürbare Freude an der Musik schwappt auf uns über: Er schiebt uns vorwärts, wenn wir uns auf den Triolen ausruhen wollen, fordert uns auf, aufeinander zu hören, haucht mit uns die Töne oder schmettert sie in den Raum. Im Nu ist der Morgen um, und mir scheint, das Orchester ist klanglich auf sehr gutem Weg zu seiner neuen alten Form.
 
Nach einem erholsamen Picknick im nahegelegenen Schlosspark wird es am Nachmittag zunehmend stickiger und heisser im Proberaum. Draussen schwitzen die Menschen am wohl letzten Sommertag dieses Jahres und wir schwitzen bei Trillern, punktierten Vierteln mit Sechzehnteln oder erneut bei Triolen der „Sonate in D“. Irgendwie stehen wir an diesem Wochenende auf Kriegsfuss mit diesen verflixten Triolen. Die frische Luft der kühlen Morgenbrise ist verständlicherweise etwas raus.
 
Als überaus interessante Klangerfahrung erklingen am späteren Nachmittag zwei Versionen von Henry Purcells „Rondeau“: Sozusagen eine vertikale und eine horizontale Version, also einmal tremoliert (was für ein Brett!) und einmal gezupft. Nach 19 Uhr werden wir in unseren wohlverdienten Feierabend entlassen und der eine oder die andere lässt den lauen Sommerabend beim gemeinsamen Nachtessen ausklingen. Mir schwirren auch spätabends immer wieder Fragmente der „Abendmusik“ durch den Kopf, und ich muss feststellen, dass diese die Wirkung eines Schlaflieds so ziemlich verfehlen.
 
Am nächsten Morgen geht es in aller Frische weiter. Diesmal soll es Clarice Assads „Song for my father“ richten. Nach intensiver, mehrstündiger Arbeit an diesem und auch noch an weiteren Stücken bin ich einmal mehr begeistert, wie durch konzentriertes Arbeiten in kurzer Zeit so viel Klang erreicht werden kann. Christian lässt uns keine Möglichkeit, uns während einer leisen Stelle zurückzulehnen oder gar langsamer zu werden. Er peitscht uns unermüdlich von Klang zu Klang, von Phrase zu Phrase, und auf einen komplizierten Akkord folgt auch schon der nächste. Es lohnt sich! Nach einem Komplettdurchlauf der „Abendmusik“ dürfen wir befriedigt feststellen, dass sich nicht ganz alles Erarbeitete vom Vortag im Traum verflüchtigte und so ziehen wir am frühen Nachmittag beschwingt von dannen.
 
Und als ob die Sonne traurig über unser Verstummen geworden wäre, durchnässt mich trotz Regenschirm ein heftiger Platzregen auf dem Weg zum Bahnhof. Mein daraufhin im Zug vergessener Regenschirm fährt wohl jetzt noch mit der S12 durch den Kanton Zürich. Lugano, wir kommen trotzdem! Danke Christian, dem Organisationskomitee und allen Mitspieler*innen für die Musik!
 
Anina Keller