Nachruf des Mandolinen- und Gitarren-Orchesters Dübendorf

zum Tode von Elsi Koller
1939 - 2020

„… Guten Abend zusammen! Habt ihr die Musiknoten auf dem Notenständer schon bereit gestellt? Zum Einspielen machen wir heute zuerst den Marsch ‚XY‘. Bitte legt diese Noten zurecht! … Seid ihr bereit!…“ Langsam erhebt Elsi den Blick von ihrem Notenpult und schaut in die Orchester-Runde. Einige wühlen noch in ihren Blättern…, doch – jetzt sind auch wir soweit. Jetzt richtet Elsi ihren Blick wieder auf ihre Partitur: „ Ach, jetzt fehlt noch meine Brille…, da ist sie!“ Noch ein kurzer Blick in die Runde und dann hebt Elsi die Hand zum Einsatz …

So oder ähnlich hat es in den letzten Jahren an jedem Probenabend geklungen, und dann ging es ans gemeinsame Musizieren, Proben und Arbeiten. Zielstrebig und mit viel Elan und Energie führte uns Elsi langsam an die Musikstücke heran, und sie hatte dabei sehr genaue Vorstellungen, wie ein Stück in Rhythmus, Dynamik und Musikalität zu klingen hatte. Unzählige Male unterbrach sie unser Spiel, zeigte und erklärte, wiederholte und übte mit uns, bis das Stück Gestalt annahm und endlich seiner musikalischen Idee entsprach. Dabei gelang Elsi das Kunststück, welches ich immer wieder bewundert habe: sie gab den verschiedenen Registern die Einsätze, lauschte präzise auf die verschiedenen Stimmen, merkte sich Fehler oder Unsicherheiten, gab entsprechende Anweisungen oder Tipps und spielte daneben wie selbstverständlich ihren eigenen Part auf der Mandoline! Dieses Multitasking war zweifellos sehr anstrengend, aber Elsi meisterte dies meist, ohne sich viel anmerken zu lassen und arbeitete dabei sicher, zielstrebig und mit grosser Ernsthaftigkeit. Es konnte auch einmal eine heftigere Bemerkung fallen, wenn etwas einfach nicht geigen mochte, aber ebenso oft gelang es ihr, mit einem humoristischen Einschub, eine etwas verstockte Stimmung aufzulockern.

So ungefähr die Bilder, welche sich mir aufdrängen, wenn ich mich ans Spielen und Proben im Mandolinen- und Gitarren-Orchester Dübendorf unter der Leitung von Elsi Koller in den vergangenen Jahren zurückerinnere. Aber eigentlich hatte ja alles schon viel, viel früher begonnen…

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Bereits als junges Schulmädchen hatte sich Elsi der Mandoline verschrieben. Damals gab es keine öffentliche Musikschule, es fand sich aber in Jenny Kosa eine Musikpädagogin, welche bereit war Mandolinen- und Gitarrenunterricht zu erteilte. Mit grossem Eifer und Fleiss widmete sich Elsi ihrem Instrument und machte dank ihrer musikalischen Begabung bald grosse Fortschritte. Zusammen mit anderen interessierten Schüler*Innen bildete sich schon bald eine Jugend-Musikgruppe.

1951 wurde das Mandolinen-Orchester Dübendorf gegründet, welches damals von Frau Kosa geleitet wurde, und bald schon durften verschiedene Schüler*Innen im grossen Orchester mitspielen. Darunter, bereits am ersten Pult, sass Elsi Koller und bald wurde sie  als Vollmitglied im Orchester aufgenommen. Seither war sie immer ein treues und engagiertes Mitglied des Vereins, unterbrochen nur von ihrer Abwesenheit im  Welschlandjahr und als sie im Kibbuz in Israel weilte.

Neben dem Orchesterspiel hat sich Elsi aber stets an der Mandoline weitergebildet und sie besuchte Kurse für den Musikunterricht und die Orchesterleitung. Bald konnte sie selbst Mandoline und Gitarre unterrichten. Im Orchester wurden regelmässig Konzerte gegeben, legendär wurden die Jahreskonzerte im Saal des Hotel Hecht, Dübendorf. Diese wurden ergänzt durch einen Unterhaltungsteil mit Theater und Gesang, wo Elsi ebenfalls tatkräftig ihre Begabung im Theaterspielen unter Beweis stellen konnte!

Nach dem Rücktritt von Jenny Kosa, übernahm Elsi Koller 1976 die Orchesterleitung und führte es vom ersten Pult aus. Dank ihrer Liebe zur Zupfmusik und ihrer steten Weiterbildung hatte sie sich die nötigen Fähigkeiten und breite Literaturkenntnisse angeeignet. Durch ihre unermüdliche Arbeit und mit der ihr eigenen, sprichwörtlichen Sorgfalt förderte sie das Orchester und führte es zu weiterer Entfaltung mit einem immer reicheren Repertoire, wovon unser grosses Notenarchiv Zeugnis gibt. Sie realisierte in den folgenden Jahren zahlreiche Jahreskonzerte und darüber hinaus kamen immer öfters Anfragen für Auftritte, sei es in Altersheime, an Advent- und Geburtstagsfeiern oder Abdankungen. Im kulturellen Leben im Raum Zürich/Dübendorf nahm das Orchester unter ihrer Leitung einen immer wichtigeren Platz ein und schuf sich ein treues Publikum. Schliesslich wurde das Frühjahrs-Konzert zusätzlich auch in Regensdorf in der Reformierten Kirche aufgeführt. Elsi Koller hat dabei stets mit Einfühlung, Elan und Sorgfalt die Programme zusammengestellt und das Orchester zur Freude der Zuhörer geführt.

Auch zum Zupfmusikverband ZVS und zu anderen Orchestern pflegte Elsi einen aktiven Kontakt und sie förderte die Teilnahme an Musikfestivals im In- und Ausland nach Kräften. Z.B. anlässlich des 75 Jahre- Jubiläum des SMGOV 1996, dem Zupfmusik-Treffen 2006 in Hergiswil/NW oder am Eurofestival der Zupfmusik Bamberg 2010. Dabei entstanden wertvolle Kontakte und auch langjährige Freundschaften.

Besonders erwähnen möchte ich die Freundschaft zu Roland Ganz, Komponist, Verleger und Musiker aus Karlsruhe und seinem Ensemble. Er komponierte diverse Musikstücke für uns, die Elsi jeweils in unsere Konzertprogramme aufnahm. Wir waren auch einmal eingeladen zu einem Jubiläum seines Orchesters nach Karlsruhe und konnten dort vor einem begeisterten Publikum gemeinsam musizieren. Und auch in Dübendorf traten wir einmal gemeinsam auf.

Doch vor einiger Zeit wurde unsere geschätzte Leiterin Elsi Koller von einer heimtückischen Krankheit eingeholt. Trotz Schmerzen und Leiden arbeitete sie aber mit grosser Energie mit dem Orchester weiter und studierte noch ein ganzes Konzertprogramm ein. Leider konnte dieses wegen Corona aber letztes Jahr nicht mehr zur Aufführung gelangen. Schliesslich hatte sie nicht mehr die nötige Kraft zu musizieren und musste die Mandoline zur Seite legen.

Das Mandolinen- und Gitarren-Orchester Dübendorf hat in der Folge ihres Rücktrittes und auch infolge des fortgeschrittenen Alters vieler seiner Mitglieder im letzten Sommer seine Auflösung im Frühjahr 2021 beschlossen. Es war uns aber eine grosse Freude, anlässlich unseres Abschiedskonzertes am 9. November 2020 vor wenigen Zuhörer*Innen auch Elsi Koller unter uns haben zu dürfen. Wir spielten einige Stücke, welche sie selbst noch in ihr letztes Programm aufgenommen hatte!

Inzwischen hat uns Elsi Koller leider bereits verlassen. Mit ihr ging uns ein Mensch mit  grosser Liebe und Leidenschaft zur Musik und mit der Fähigkeit, diese den Mitmenschen nahe zu bringen, verloren. Mit ihrem Tod geht nun auch die Ära des MGOD zu Ende. Die Musik – ihre Musik aber lebt weiter.

Charly Lindegger – Frieda Schleiss, 5. Januar 2021

Bilder: Adrian Senn, Dübendorf